
Die Technik des „Fütterns der Dämonen“ im Buddhismus - ein überraschender Weg zu Selbstmitgefühl und innerer Freiheit
Vor ein paar Jahren saß ich auf meinem Meditationskissen und hatte das Gefühl, mit meinem Geist zu ringen, anstatt mit ihm in Frieden zu kommunizieren.
Meine Gedanken waren völlig durcheinander, voll von Zweifeln, Ängsten und ungelösten Gefühlen, die ich lieber ignorieren würde. Ich fragte mich: Sollte mich Meditation nicht beruhigen?
Dann stieß ich zufällig auf eine Technik des tibetischen Buddhismus, die „Fütterung der Dämonen“ genannt wird und die von Lama Tsultrim Allione verbreitet wurde.
Trotz des etwas einschüchternden Namens geht es nicht darum, furchterregende Wesen zu beschwören, sondern darum, sich unseren störendsten Emotionen und Erfahrungen - den„Dämonen“ in uns- zuzuwenden und sie zu transformieren.
Diese Praxis hat nicht nur meine Sichtweise auf Furcht und Angst verändert, sondern mir auch eine gütigere und mitfühlendere Art eröffnet, mit mir selbst und anderen umzugehen...
Was ist „Dämonen füttern“ überhaupt?
Im tibetischen Buddhismus gibt es eine uralte Praxis, die als Chöd bekannt ist und deren Begründer der Yogi Machig Labdrön aus dem 11. Lama Tsultrim Allione hat dieses jahrhundertealte Ritual in eine Methode umgewandelt, die für moderne Praktizierende leichter zugänglich ist.
Die Grundvoraussetzung: Anstatt vor unseren inneren Konflikten - vor Ärger, Neid, Scham oder aufdringlichen Selbstzweifeln - davonzulaufen, laden wir diese „Dämonen“ in unser Bewusstsein ein, geben ihnen eine klare Form oder Persönlichkeit und „füttern“ sie dann mit dem, was sie wirklich brauchen.
Diese Fütterung ist keine buchstäbliche Nahrung, sondern eine energetische Substanz, die wir visualisieren und anbieten.
Auf diese Weise werden wir uns unserer tiefsten Bedürfnisse bewusst, entschärfen unsere angstbasierten Reaktionen und setzen die Energie frei, die zuvor in Widerstand oder Vermeidung gefangen war.
Wie kann uns diese Technik tatsächlich helfen?
- Sie bringt uns Mitgefühl für uns selbst. Wenn Sie Ihre Dämonen füttern, kümmern Sie sich tatsächlich um die vernachlässigten Teile Ihres Selbst. Man hört auf, sie wegzustoßen und schenkt ihnen stattdessen Wärme und Fürsorge. Dies fördert ein tiefes Gefühl der Freundlichkeit gegenüber sich selbst.
- Es ist emotional befreiend. Die Konfrontation mit schmerzhaften Gefühlen oder negativen Gewohnheiten kann eine kathartische Befreiung bewirken. Was einst in einer Flasche gehalten wurde, erhält nun Raum, um gesehen und gelöst zu werden.
- Das bringt uns innerlich ins Gleichgewicht. Wenn wir diese inneren „Dämonen“ füttern, werden sie oft zu Verbündeten. Die Energie, die wir damit verbracht haben, sie zu unterdrücken, wird freigesetzt, so dass wir uns leichter und ausgeglichener fühlen.
- Es verbessert die Beziehungen. Alte Muster - wie Abwehrhaltung oder Wut - entstehen oft aus unerfüllten Bedürfnissen. Wenn wir diese Teile unseres Selbst erkennen und nähren, zeigen wir mehr Mitgefühl und Frieden in unseren Beziehungen.
- Führt zu mehr Einsicht. Übungen können tief sitzende Überzeugungen und blinde Flecken aufdecken, die unser Verhalten beeinflussen. Wenn wir uns dessen bewusst werden, haben wir die Möglichkeit, uns zu verändern und zu wachsen.
Beispiele aus dem Leben
Ängste bei der Arbeit
Meine Freundin Jana fühlte sich immer wie gelähmt vor Angst, wenn sie eine große Präsentation vor sich hatte. Als sie ihrem Angstdämon einen Namen gab - indem sie ihn sich als nervöses Wesen vorstellte, das sich umherbewegt - und fragte: „Was brauchst du?“, stellte sie fest, dass sie Beruhigung und ein Gefühl der Kontrolle wollte. Sie stellte sich vor, ihm ein beruhigendes Licht anzubieten, das Sicherheit und Vertrauen in ihre Fähigkeiten symbolisierte. Mit der Zeit lockerte sich der Griff ihrer Ängste. Sie bereitete sich immer noch gründlich auf ihre Präsentationen vor, aber die lähmende Angst wurde durch eine geerdete, ruhige Bereitschaft ersetzt.
Überwindung der Selbstverurteilung
Mein persönlicher „Dämon“ der Selbstkritik tauchte immer dann auf, wenn ich etwas Neues ausprobierte - z. B. eine herausfordernde Yogastellung. Ich hörte die Stimme: „Das schaffst du nie.“ Und ich sagte zu mir selbst: „Ich werde das nie schaffen“. Während der Übung Feeding the Demons gab ich meinem inneren Kritiker eine physische Gestalt (einen gepanzerten Riesen), fragte ihn, was er brauchte (Akzeptanz und Geduld), und stellte mir vor, ihm leuchtenden goldenen Nektar anzubieten, der für bedingungslose Akzeptanz steht. Mit der Zeit wurde der Riese weicher und meine Selbstgespräche änderten sich.
Heilung von Beziehungskonflikten
Tom kämpfte mit ständiger Frustration mit seinem Partner. Anstatt sich über Kleinigkeiten zu streiten, nannte er seinen Dämon Angry Tom. Wenn „Angry Tom“ nach Essen fragte, war seine Antwort Respekt und Bestätigung. Als Tom sich vorstellte, diesem Dämon Respekt in Form von warmer, sanfter Energie zu geben, erkannte er, dass hinter seiner Wut der tiefe Wunsch stand, gehört zu werden. Diese Erkenntnis half ihm, seine Bedürfnisse gelassener zu kommunizieren, was letztlich die Dynamik der Beziehung zu seinem Partner verbesserte.
Und wie kann man dieses „Füttern der Dämonen“ tatsächlich umsetzen?
1. Den Dämon identifizieren...
- Nehmen Sie zunächst die Emotion oder den Konflikt wahr. Ist es Angst, Eifersucht, Scham oder etwas anderes? Versuchen Sie, das Gefühl zu isolieren und zu benennen.
- Es kann sich um eine bestimmte Situation handeln - z. B. Angst vor öffentlichen Auftritten - oder um ein wiederkehrendes Muster, wie z. B. Selbstkritik.
2. Personifizieren Sie es!
- Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, wie dieser Dämon aussehen könnte, wenn er eine physische Form hätte. Seien Sie so anschaulich wie möglich. Ist er groß oder klein? Hat er eine Form oder eine Farbe?
- Hören Sie ruhig zu, was er vielleicht sagen oder ausdrücken möchte.
3. Stellen Sie ihm eine Frage...
- Fragen Sie Ihren Dämon leise: „Was brauchst du von mir? Was befriedigt dich?"
- Der Dämon möchte vielleicht Anerkennung, Sicherheit oder Liebe. Denken Sie nicht zu viel darüber nach - folgen Sie Ihrer Intuition.
4. Füttern Sie ihn!
- Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihrem Dämon eine Substanz oder ein Licht anbieten, das genau das symbolisiert, wonach er fragt. Wenn er zum Beispiel Trost braucht, stellen Sie sich einen hellen Nektar vor, der für Mitgefühl steht.
- Geben Sie ihm großzügig und ohne zu urteilen, bis er völlig zufrieden ist.
5. Beobachte die Verwandlung...
- Achten Sie darauf, ob der Dämon seine Form, seine Farbe oder sein Verhalten verändert. Schrumpft er, wird er weicher oder verschwindet er ganz?
- Diese Verwandlung bedeutet eine Verschiebung in dir - eine Integration dessen, was einst weggeschoben wurde.
6. Ruhen Sie sich aus und denken Sie nach...
- Bleiben Sie nach dem Füttern ein paar Minuten lang ruhig.
- Achten Sie auf die Empfindungen in Ihrem Körper, die Qualität Ihres Atems und etwaige neue Erkenntnisse oder Gefühle.
Punkte, auf die Sie achten sollten...
Seien Sie sanft! Wenn Ihr Dämon mit einer traumatischen Erfahrung verbunden ist, sollten Sie diese Übung mit Vorsicht angehen. Vielleicht möchten Sie die Unterstützung eines Psychiaters oder eines qualifizierten spirituellen Lehrers in Anspruch nehmen.
Urteilen Sie nicht! Mitgefühl ist der Schlüssel, nicht Konfrontation. Sie bekämpfenIhre Dämonen nicht, Sie lernen von ihnen und verwandeln sie, indem Sie ihnen geben, was sie brauchen.
Seien Sie konsequent! Wie die meisten spirituellen Praktiken profitiert auch das „Füttern der Dämonen“ von einer regelmäßigen und sanften Wiederholung. Versuchen Sie es konsequent - einmal pro Woche oder wann immer ein starkes emotionales Muster auftaucht.
Seien Sie geduldig mit sich selbst! Tief verwurzelte Muster lassen sich nicht über Nacht ändern. Vertrauen Sie darauf, dass jede Fütterung etwas verändern wird, wenn auch nur geringfügig.
Integration. Integrieren Sie das Gelernte nach jeder Sitzung. Schreiben Sie darüber ein Tagebuch, teilen Sie es mit einem Freund, der Sie unterstützt, oder wenden Sie es auf kleine Weise in Ihrem täglichen Leben an.
Meine Überlegungen und Vorteile
Jedes Mal, wenn ich die Technik „Feeding the Demons“ angewendet habe, haben mich zwei Dinge überrascht:
- Wie schnell kann sich mein Widerstand auflösen, wenn ich meine schwierigen Gefühle bewusst an den Tisch bringe?
- Wie zutiefst heilsam und ermächtigend fühlt es sich an, genau den Teilen von mir Wärme zu schenken, die ich zuvor zu verbannen versucht hatte?
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass unsere so genannten „Dämonen“ oft missverstandene Verbündete sind.
Sobald man ihnen gibt, was sie wirklich wollen - sei es Liebe, Anerkennung oder Sicherheit -, gewinnt man persönliche Macht zurück, die hinter Angst oder Vermeidung verschlossen war.
Stellen Sie sich das so vor, dass Sie negative Energie in positiven Treibstoff umwandeln.
Sie sind nicht länger ein Opfer Ihrer eigenen Wut, Scham oder Angst; Sie werden zu einem mitfühlenden Verwalter dieser Energien, der sie weise verwaltet, anstatt von ihnen kontrolliert zu werden.
Ein paar Worte zum Schluss...
Wenn Sie die Übung „Die Dämonen füttern“ in Ihre Yoga- oder Meditationspraxis einbeziehen, kann dies ein tiefes Gefühl der Freiheit und Selbsterkenntnis vermitteln. Zunächst mag es seltsam erscheinen, sich vorzustellen, etwas zu „füttern“, das man lieber ignorieren würde - aber genau deshalb funktioniert es. Es durchbricht das Muster des Vermeidens und ermutigt Sie, eine Haltung der unerschütterlichen Freundlichkeit sich selbst gegenüber einzunehmen.
Wenn Sie sich dazu hingezogen fühlen, dies weiter zu erforschen, sollten Sie die Arbeit von Lama Tsultrim Allione lesen oder einen Lehrer aufsuchen, der in der Praxis von Chöd ausgebildet ist. Diese Technik ist scheinbar einfach, aber bemerkenswert wirksam. Sie hat mir - und vielen anderen - sicherlich geholfen, innere Stimmen und schwierige Emotionen von Bösewichten in Helfer auf dem Weg zur Selbstverwirklichung zu verwandeln.
Wenn Sie sich also das nächste Mal festgefahren, gestresst oder niedergeschlagen fühlen, ist es vielleicht an der Zeit, Ihre Dämonen zu füttern.
Im Bereich des spirituellen Wachstums geschehen oft die größten Veränderungen, wenn wir es wagen, nach innen zu schauen, uns unseren Schatten zu stellen und sie zurück ins Licht zu nähren.
Sind Sie mit dieser interessanten Technik vertraut? Habe ich Ihre Neugierde geweckt? Würden Sie sie gerne ausprobieren und die Ergebnisse beobachten?
Lassen Sie mich Ihre Eindrücke im Kommentarbereich wissen...